Geschichte der Mitbestimmung bei Bertrandt

Mitbestimmung und Bertrandt: Dies ist eine Beziehung mit schwieriger Vergangenheit. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft haben bei Bertrandt trotz großen Widerstandes, in wenigen Jahren schon deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erkämpft können und dadurch für bessere Zukunftsaussichten des Unternehmens gesorgt.

Der Weg dahin war steinig. Eine lange Zeit wehrt sich das Unternehmen gegen Strukturen der Mitbestimmung. Die Folgen für die Mitarbeiter: Ein festes Entgeltsystem oder gar ein Tarifvertrag? Fehlanzeige! Gleiche Arbeit, gleicher Lohn? Mitnichten. Stattdessen gilt der Nasenfaktor.

2018 will die Belegschaft mit Unterstützung der IG Metall dann erstmals einen Betriebsrat wählen. Anfeindungen von Management und Leitungspersonal sind die Folge. Das Unternehmen versuchte die Gründung eines Betriebsrates durch Ausgliederungen einzelner Unternehmenseinheiten und anderer Kniffe zu verhindern, oder zumindest die Auswirkungen gering zu halten. Ohne Erfolg! Im Dezember 2018 wird bei der Bertrandt Ingenieursbüro GmbH (BIG) in Tappenbeck erstmals ein Betriebsrat gewählt.

Ab jetzt rollt der Mitbestimmungszug. Nicht mal binnen eines Jahres folgen auch die zwei weiteren neu geschaffenen Unternehmenseinheiten in Tappenbeck. Im März 2019 wird bei der Bertrandt Technologies GmbH (BTG) ein Betriebsrat gegründet. Die IG Metall-Mitglieder holen mit deutlichem Abstand die meisten Stimmen. Im August 2019 wird auch bei der Bertrandt Simulations GmbH (SIM) gewählt. Ab jetzt haben alle drei GmbHs am Standort Tappenbeck einen Betriebsrat. Der Winkelzug des Unternehmens mit Ausgliederungen läuft ins Leere.

Erste Erfolge lassen nicht lange auf sich warten.  Bereits im Frühjahr 2020 gibt es die erste kollektive Entgelterhöhung von 1 Prozent – vorher erfolgten Lohnsteigerungen nur auf individueller Ebene.

Im Sommer 2020 folgt dann quasi die Feuerprobe für die Mitbestimmung bei Bertrandt. Nach fast einem halben Jahr Corona-Pandemie kündigt das Unternehmen betriebsbedingte Massenentlassungen an. In Tappenbeck sollen 250 Stellen gestrichen werden. Da machen IG Metall und Betriebsrat nicht mit. Stattdessen arbeiten die Arbeitnehmervertreter an einem Zielbild für das Unternehmen und fordern im Februar 2021 auf dieser Basis einen Zukunftstarifvertrag. Sogar Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wird im März 2021 eingeschaltet und unterstützt die Belegschaft.

Das macht Eindruck. Die Geschäftsführung übernimmt einige der von den Arbeitnehmern ausgearbeiteten Punkte. Darunter ein konkretes Transformationsprojekt. Letztlich muss keiner der 250 Kollegen gehen. Obendrauf wird eine Corona-Prämie in Höhe von 400 Euro ausgehandelt und das Unternehmen kündigt auf Druck der Mitbestimmung an, über die Schaffung eines fairen Entgeltsystems nachzudenken.

Im Juli 2021 folgt aber, wohl um die lauter werdenden Forderungen zu besänftigen, zunächst eine weitere kollektive Entgelterhöhung von 1 Prozent. Für die IG Metall nicht genug: Im September 2021 wird eine Tarifkommission gegründet. Das Ziel ist damit klar: Bei Bertrandt soll endlich ein Tarifvertrag her.

Zunächst aber gelingt es im Dezember 2021, ein Eckpunktepapier für einen Zukunftssicherungsdialog für den Standort Tappenbeck abzuschließen. Damit soll die Transformation ohne Kündigungen sozialverträglich gestaltet werden. Im Mittelpunkt stehen Qualifizierung und Weiterbildung der Belegschaft für Zukunftsaufgaben.

Mit dem Start der „Berta & Bert-Kampagne“ im Mai 2022 nimmt die Forderung nach einem weiter auf sich warten lassenden Entgeltsystem und einem Tarifvertrag weiter an Fahrt auf. Die kreative und humorvolle Kampagne der IG Metall findet bundesweit Beachtung und trägt maßgeblich dazu bei, dass das Unternehmen im Juli 2022 die Entgelte kollektiv um 4 Prozent erhöht und im Dezember 2022 eine Inflationsausgleichprämie von insgesamt 800 Euro (4 x 200 Euro) für das Jahr 2023 verkündet wird.

Auf den Erfolgen ausruhen? Das kommt für die Arbeitnehmervertreter nicht in Frage. Als logische Schlussfolgerung aus den steigenden Mitgliederzahlen wird im März 2023 ein Vertrauenskörper gegründet und die Tarifkommission neugewählt.

So gestärkt setzen sich IG Metall weiter für einen Tarifvertrag und ein faires Entgeltsystem bei Bertrandt ein, um der Erfolgsgeschichte weitere Kapitel hinzuzufügen.